Innovativer Hochwasserschutz im Zollhafen Mainz
#20JahreomniCon
omniCon betreut derzeit die Umgestaltung des ehemaligen Zoll- und Binnenhafens nahe der Mainzer Neustadt – einer bisher nahezu vollständig versiegelten und für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Industriefläche – zu einem urbanen Hafenquartier mit Wohnungen, Büros und grünen Freizeitflächen mit direktem Zugang zum Wasser. Die Lage direkt am Rheinufer stellt Eigentümer wie Bauherren sowohl während der Bauzeit, als auch später im Betrieb vor eine Herausforderung. Wie geht man heute mit der unmittelbaren Nähe zu einem fließenden Gewässer und vor allem mit den wiederkehrenden Hochwasserereignissen um?
Jedes der Grundstücke des Zollhafen Mainz soll während der Bauzeit und später während des Betriebs extremen Hochwasserereignissen gewachsen sein. Die Gebäude dürfen auch dann keinen Schaden nehmen, wenn der Rhein deutlich über seine Ufer tritt. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Im Zollhafen Mainz muss das Schutzziel für einen Pegelstand von 86,53 m ü. NN (HW 200) plus 50 cm Freibord als Sicherheitspuffer erreicht werden. Das entspricht einem Hochwasser, das statistisch gesehen alle 200 Jahre vorkommt. Dieses Schutzziel gilt auch für die angrenzenden Quartiere der Mainzer Neustadt. Zusätzlich war es dem Eigentümer Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG – ein Unternehmen der CA Immo Deutschland GmbH und der Mainzer Stadtwerke AG – wichtig, die Wünsche der Stadt Mainz und der Mainzer Bürgerinnen und Bürger schon von Beginn in die Planung aufzunehmen und mit den baurechtlichen Anforderungen abzugleichen. Diese bestanden vor allem in dem Wunsch nach Frei- und Erholungsflächen, die das Rheinufer und seinen besonderen Landschaftraum am Wasser wieder allen zugänglich machen.
Die maßgebliche Stoßrichtung haben zum Projektbeginn bereits die Mainzer Stadtwerke auf den Weg gebracht. u.a. als Partner des EU-Projekts „FloodResilienCity“. Dieses Projekt hat das Ziel, die steigende Nachfrage nach mehr Immobilien und anderen Bauvorhaben mit der steigenden Notwendigkeit von mehr und besseren Maßnahmen zum Hochwasserschutz in nordwesteuropäischen Städten entlang von Flüssen zu verbinden. omniCon hat früh ihre Erfahrung mit nachhaltigen Quartiersentwicklungen in Ufernähe und innovativem, hochwasserangepasstem Planen und Bauen mit in das Projekt eingebracht. Daraus ist ein Projekt mit bundesweitem Vorbildcharakter für den vorbeugenden Hochwasserschutz und sicheres und lebenswertes Wohnen und Arbeiten am Wasser entstanden.
„Aufgrund der Fachkompetenz und Erfahrung unseres Teams können wir die Begebenheiten in Mainz sehr gut einschätzen. Wir können beurteilen, ob die Planungen unserer Projektpartner geeignet sind, oder ob nochmal nachjustiert werden muss. So können wir die Projektteams mit unserer Beratungsleistung unterstützen und das Projekt im Sinne der Bauherren zum Erfolg führen,“ beschreibt Dr. Patrick Kaurisch, Leiter der Abteilung Grundstücksaufbereitung und Erschließung bei der omniCon, die Aufgabe seiner Abteilung bei diesem Projekt.
Vom Industriehafen zurück zur grünen Aue
Geologisch gilt das Gebiet des Zollhafen Mainz zu den Niederterrassen des Rheins und ist damit ein natürliches Überschwemmungsgebiet. Zur Gewinnung der Industrie- und Hafenflächen wurde die damalige Rhein-Aue entsprechend der Planung des damaligen Stadtbaumeisters Eduard Kreyßig aufgeschüttet. Die Hafenufer wurden zunächst von Kaimauern eingefasst und in den 60er-Jahren gegen Unterspülung mit Stahlspundwänden gesichert. Die Oberflächen wurden versiegelt. Das entspricht zwar den Anforderungen einer industriellen Nutzung, bietet darüber hinaus aber keinen Lebensraum für heimische, wassergebundene Tierarten mehr. Das Überschwemmungsgebiet ging als Ökosystem und Naherholungsgebiet verloren.
„Im Mainzer Zollhafen wird nicht alles überplant mit Gebäuden, sondern es werden auch Erholungs- und Ausgleichsflächen geschaffen,“ fasst Franz Motzko-Lisy, Projektleiter der omniCon und der Zollhafen Mainz GmbH, zusammen.
Bei der Grundstücksaufbereitung und Erschließung des neuen Quartiers Zollhafen Mainz wird nicht einfach der Versiegelungsgrad reduziert, sondern die Grünfläche vervierfacht. Allein 1,2 ha der insgesamt 1,6 ha Grünfläche entstehen entlang der Uferpromenade des Nordufers, der s. g. Nordmole. Diese Grünflächen werden terrassenartig angeordnet. Die vorlaufenden Arbeiten, wie Kairückbau und Uferabsenkung werden Ende 2021 abgeschlossen sein. Der „Stadtbalkon“, die „Sportsbay“ und die „Parkwiese“ bieten zukünftig den Bewohnerinnen und Bewohnerinnen des Quartiers einen Naherholungsraum direkt vor der Haustür. Der Entwurf stammt vom Landschaftsarchitekturbüro SINAI. Für den Hochwasserschutz und die Rückgewinnung des Uferbereichs als Lebensraum für einheimische und bedrohte Tierarten wird aber besonders ein Teil der unteren Parkwiese interessant: die „Wilde urbane Aue“.
Als Aue bezeichnet man Landschaftsgebiete, die regelmäßig von Hochwassern überflutet werden. Auengebiete können beachtliche Wassermengen aufnehmen und helfen so, Hochwasserwellen abzuschwächen. Charakteristisch für Auen sind flaches Gelände und eine Vegetation, die aus Wiesen und vereinzelten Sträuchern oder aus s. g. Auenwäldern besteht. Sie bieten wertvollen Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten und unterstützen den Erhalt der Biodiversität entlang des Rheins.
„Wir pflanzen hier, was einem natürlichen Bewuchs des Rheinufers am nächsten kommt.“, berichtet Motzko-Lisy. „Man gibt der Natur einen Anstoß, damit die natürliche Vegetation rasch und gesund anwächst. Danach lässt man zu, dass die Natur sich in Ruhe entfalten und ein natürliches Biotop entstehen kann. Innovativ ist hierbei, dass wir die natürlichen Begebenheiten bewusst in unsere Planung mit einbeziehen, statt sie wie früher zu bekämpfen. Hier findet ein gesellschaftliches Umdenken statt, dass wir unserer jungen Generation verdanken.“
Die Wahrscheinlichkeit für Hochwasser nimmt zu – ein Test für den Zollhafen Mainz im Februar 2021
Obwohl die extremen Hochwasserereignisse, für die der Zollhafen Mainz ausgelegt ist, statistisch gesehen sehr selten vorkommen, wurde der Hochwasserschutz mit höchster Sorgfalt in der Planung berücksichtigt. Denn der globale Klimawandel wird dazu führen, dass extreme Wetterereignisse häufiger werden. Laut Umweltbundesamt nehmen die jährlichen Niederschläge insbesondere in den Wintermonaten in den kommenden 80 Jahren in Nordwesten Europas zu. Auch die Häufigkeit von Starkniederschlägen soll zunehmen. Das kann zu vermehrten Hochwasserereignissen, auch entlang der großen Flüsse, führen.
Deshalb wird im Zollhafen Mainz zusätzlich zur grünen Aue durch die Absenkung und Freilegung der historischen Uferbefestigung an der Hafeneinfahrt und die terrassenartigen Ufer weiterer Retentionsraum gewonnen. Hochwasser ab einem Stand von 86,2 m ü. NN wird kontrolliert durch die Grachten der Hafeninseln geleitet.
Anfang dieses Jahres hat der Zollhafen ein Hochwasserereignis erlebt. Anhaltender Niederschlag und Tauwetter haben dazu geführt, dass der Pegel Mainz mehr als 6 Meter aufwies. Die fertig gestellten und im Bau befindlichen Gebäude des Zollhafen Mainz hat dieses Hochwasser aber nicht beschädigt, wie Wolfram Albert-Göppinger, Construction Manager bei der omniCon, berichtet. „Die Maßnahmen des Hochwasserschutzes werden ja schon während des Bauens mitberücksichtigt. Das Hochwasser im Februar war nicht annähernd hoch genug, um eine ernsthafte Gefahr für die Bausubstanz darzustellen. Es hat aber gereicht, um zu prüfen, ob alle Keller dicht sind. Und soweit mir bekannt ist, ist alles gut.“
Bis zum Jahr 2025 soll der Zollhafen Mainz fertig gestellt sein. Mehr und mehr Bauherren und Investoren sind auf den rund 30 Baufeldern aktiv, während die ersten Mieter bereits in ihre Wohnungen oder Büros einziehen. Durch die Nähe zum Wasser, aber vor allem durch die Menschen, die hier leben, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen werden, entsteht in den kommenden Jahren mit dem Zollhafen Mainz ein urbanes, lebendiges und lebenswertes Quartier.